Petition zur Übernahme der Therapiekosten durch Heilpraktiker-Psychotherapie

Psychotherapie durch Heilpraktiker?

Petition zur Übernahme der Therapiekosten durch Heilpraktiker-Psychotherapie
© Guido Schmidt-fotolia.com

von Conny Dollbaum-Paulsen
(letzte Überarbeitung: 12. Januar 2016)

Eine Petition, die fordert, dass überlange Wartezeiten auf einen Psychotherapieplatz abgekürzt werden könnten, indem Heilpraktiker für Psychotherapie auch von den gesetzlichen Kassen in die Versorgung mit einbezogen werden, scheint grandios.

In NRW warten Menschen laut Psychotherapeutenkammer durchschnittlich 12 Wochen auf ein Erstgespräch – bis die Therapie dann beginnen kann, vergehen meist weitere drei Monate. Mensch stelle sich vor, Patienten mit einem Gallenleiden oder Migräne müssten ähnlich lange warten, bis sie kompetent versorgt würden: Undenkbar.
Mal ganz abgesehen davon, dass Menschen, die psychisch belastet sind und nicht begleitet werden, unangemessen leiden, schreibt die Kammer bezogen auf die u.a. dadurch verursachten Kosten: „Patienten, die auf eine psychotherapeutische  Behandlung warten, erhalten oft eine einseitig medikamentöse Behandlung und werden krankgeschrieben. Psychisch kranke Arbeitnehmer sind deshalb für Unternehmen bereits ein beträchtlicher Kostenfaktor. Nach Schätzungen kosten allein die Fehltage depressiv erkrankter Arbeitnehmer die Unternehmen in Deutschland jährlich circa 1,6 Milliarden Euro.“

Nun sind die Vergabe von Therapieplätzen, ebenso wie Niederlassungsregelungen und Abrechnungsbestimmungen von gesetzlichen Krankenkassen eher ein politisches Thema als eines der Gesundheit. Nur so lassen sich diese Zahlen nach meiner Lesart erklären.

Da kam eine Petition, die vor etwa einem Jahr fordert, die langen Wartezeiten dadurch zu verkürzen, dass Heilprakiker für Psychotherapie, die meist kürzere bis gar keine Wartezeiten haben, in die gesetzliche Versorgung integriert werden, gerade recht. Oder?

Abgesehen davon, dass alle Ärzte- und Psychotherapeutenvereinigungen dagegen Sturm laufen werden, stellt sich mir die Frage: Wäre es wirklich sinnvoll? Vor allem aber: Welchen Preis müssten die HP dafür zahlen?
Der Sturmlauf ist übrigens verständlich, wenn mensch bedenkt, wie viele Studienjahre, Assistenzzeiten und Fachausbildungsbedingungen üblich sind und wie vergleichsweise gering dagegen die Zulassungsbedingungen für Heilpraktiker. Daraus sollte allerdings keinesfalls der Schluss entstehen, diese Ausbildungsunterschieden müssten zwangsläufig Einfluss auf die Qualität der Psychotherapie haben – dem ist nicht so. Was auch daran liegt, dass Psychotherapie für Selbstzahler schneller zum Erfolg führen müssen, weil die Menschen sonst nicht bereit sind, dafür zu zahlen…, aber das soll hier nicht das Thema sein.

Die Frage nach dem Sinn, lässt sich leicht mit einem uneingeschränkten JA beantworten. Es gibt sehr viele hervorragend ausgebildete und kompetente psychotherapeutisch arbeitende HeilpraktikerInnen, die an dieser Stelle hilfreich ihre Arbeit tun könnten.

Die Frage nach dem Preis versehe ich als Heilpraktikerin und Gestalttherapeutin vorläufig mit einem deutlichen Fragezeichen. Jedes System, zu dem wir Zugang haben, bringt Regeln mit. In diesem Fall würde schnell geklärt sein, dass nur bestimmte Verfahren, bestimmte Ausbildungszertifikate und die Mitgliedschaften in bestimmten Verbänden eine Teilhabe ermöglichten. Wer will das entscheiden? Die Verbandsvorsitzenden, Institutsbetreiber, Lobbyisten oder die Krankenkasseninspektoren (wie auch immer sie wirklich heißen). Und wollen wir als Heilpraktiker unsere Methodenfreiheit, die doch unseren Berufsstand gerade ausmacht, dafür aufs Spiel setzen? Kurzfristig vielleicht, um den aktuellen Notstand mit so wenig Aufwand wie möglich und zum Besten der PatientInnen zu beheben, aber mittel- bis langfristig?

Wollen wir uns wirklich mit ÄrztInnen und Psychologischen Psychotherapeuten auf eine Diskussion einlassen, in der wir beweisen müssen, dass wir auch gut ausgebildet, kompetent und auf Augenhöhe sind? Wollen wir das?

Immer wieder geht es um Sicherheit oder Freiheit, erster oder zweiter Gesundheitsmarkt, Schulmedizin oder Ganzheitsmedizin – und immer wieder müssen wir uns entscheiden, ob es wirklich hilfreich ist, Teil eines Erstattungssystems werden zu wollen, das eher Industrien finanziert, als Menschen zu Gesundheit bringt.
Was natürlich nicht heißt, dass die im Gesundheitssystem arbeitenden Menschen größtenteils gute Arbeit tun - dem soll hier nicht nentgegen geschrieben werden.

Vielmehr ist es so, dass Gedanken zu alternativen Systemen immer drängender werden, auch wenn wir durch Jahrzehnte gesetzlicher Gesundheitspolitik, verbunden mit den vielen Vorzügen, da damit verbunden sind, Mühe haben, echte Alternativen zu denken.

Das AMAt-Projekt ist ein Anfang, ebenso wie Artabana. Vielleicht sollten wir mehr Energie in diese Richtung lenken und dadurch selbstbestimmter arbeiten.
Vielleicht sollten wir als PionierInnen beginnen, so wie die Gründer und IdeengeberInnen der ersten gesetzlichen Krankenkassen und nicht nur Versicherungssysteme, sondern vor allem unsere Bilder von Krankheit und Gesundheit beginnen, neu zu denken (viele tun das ja schon). Das könnte mittel- bis langfristig eine gute Idee sein.

Was aus der Petition geworden ist, lässt sich aktuell nicht genauer recherchieren. Es sieht so aus, als wäre sie in der Idee stecken geblieben. Was aber nichts daran ändert, dass wir als TherapeutInnen gut daran tun, sehr genau zu überlegen, wie wir uns positionieren wollen.

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